Mittwoch, 8. August 2012

Von der JournalistInnen-Delegation 2012 - Bericht 13


Wo angeblich keine Menschen wohnen

„Wir würden gerne wissen, warum sie sagen, dass hier niemand wohnt, wenn hier doch Garífuna leben“, sagt Fany Solorzano von OFRANEH. Sie – das sind die Befürworter der Sonderentwicklungszone (RED) oder Charter-Stadt, die sich von Trujillo bis zum Río Sico erstrecken soll. Alleine zehn Garífuna-Gemeinden liegen entlang der Küste in dem als Sonderentwicklungszone (RED) ausgewiesenen Gebiet zwischen Trujillo und dem Río Sico. „Vielleicht liegt es daran, dass es hier unberührte Natur, Meer, Flüsse und Lagunen, also einen großen Reichtum gibt“, meint Solorzano weiter. Da die Sonderentwicklungszone autonom, quasi ein Staat im Staat sein soll, könnte sie von den verschiedenen Naturgütern profitieren. Auf unserer Reise zum Treffen der indigenen Gemeinschaften von Honduras in der Moskitia bekommen wir diesen natürlichen Reichtum Etappe für Etappe zu Gesicht und können uns davon überzeugen, dass die nordöstliche Küstenregion sehr wohl bewohnt ist.

Radio Waruguma in Trujillo (C) KB


Am Nachmittag des 29. Juli kommen wir in Trujillo an. Unser Ziel ist Radio Waruguma, einer der fünf Sender von OFRANEH. Das Radio liegt direkt am Strand im Stadtteil Cristales, der gerade „generalüberholt“ und in ein „Modellstadtteil“ (Barrio Modelo) umgewandelt werden soll. Neben der Charter-Stadt ein wichtiges Thema für die RadiomacherInnen von Waruguma. Denn mit dem Barrio Modelo wurden den BewohnerInnen zwar neue Wasser- und Abwasserleitungen und neue Häuser anstelle baufälliger versprochen, wer dafür aufkommen soll, ist aber bislang ungewiss. Sicher ist schon jetzt, dass mit dem Einbau von Wasserzählern die Wasserrechnung erheblich steigen wird. „Wir sind nicht gegen die Entwicklung von Trujillo, wir wollen nur, dass die Zuständigen uns erklären, was uns der Modellstadtteil kosten wird, und was wir verlieren werden“, sagt José Francisco Gomez von Radio Waruguma. „Wir sind besorgt, weil man uns nicht die ganze Wahrheit sagt, was der Modellstadtteil bedeutet.“ Er befürchtet, dass diejenigen, die die dafür anfallenden Steuern nicht zahlen können, aus dem Modellstadtteil vertrieben werden.

Die spanische Agencia Española de Cooperación Internacional
para el Desarrollo (AECID) leitet die Bauarbeiten (C) JB 
Während unseres Aufenthalts in Trujillo beschäftigt eine Landbesetzung sowie der bevorstehende Besuch von Landvermessern des Nationalen Agrarinstituts (INA) die RadiomacherInnen. Die Angestellten des INA sollen gemäß der Mitte Juli in Corozal getroffenen Vereinbarung die Gebiete der Garífuna-Gemeinden neu vermessen (siehe Bericht 5). Das ursprüngliche Territorium der Garífuna in Trujillo geht auf einen Landtitel aus dem Jahr 1901 zurück, der die nun wieder angeeigneten Gebiete beinhaltet – eine ehemalige Privatschule sowie ein weitläufiges Strandgrundstück eines Deutschen, auf dem einmal ein exklusives Wohngebiet geplant war. Es ist daher wichtig, dass diese Grundstücke mit vermessen werden.

Mit Vertretern des Agrarinstitut INA wird über die Landvermessung ... 

... anhand von alten Plänen verhandelt (C) JB 


Beim Verlassen von Trujillo kommen wir an einem weiteren Neubauprojekt vorbei, einem Kreuzfahrtschiffanleger, dem ein ganzer Stadtteil weichen muss. Der kanadische Investor Randy Jorgensen, hier als „Rey del Porno“ bekannt, will Trujillo zur ersten Adresse für Kreuzfahrtschiffe in Zentralamerika machen. Neben dem Anleger sollen außerdem exklusive Anwesen entstehen. „Stellen Sie sich vor, ein Grundstück mit einem Panoramablick auf die Karibik für unter 50.000 $ zu besitzen“, heißt es auf der Internetseite der Immobilienfirma Lifevision Properties.

Die Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe ist im Bau (C) KB

Ein kurzes Stück hinter Trujillo tauchen wir wieder ein in die endlosen Palmölplantagen, die das Aguán-Tal, aber auch die Küste östlich des Tals bestimmen. Das Firmenschild Dinant an einer Einfahrt verrät, dass sich die Plantagen im Besitz von Miguel Facussé befinden. Inwiefern auch Facussé von einer zukünftigen Charter-Stadt betroffen wäre, ist uns unbekannt.
Unser nächster Halt ist die Garífuna-Gemeinde Punta de Piedra. Das Radio „Brisas del Mar“ liegt auf einem Hügel mit Meerblick, und es weht tatsächlich eine frische Brise durch die palmengedeckte Hütte. Den Strom für das Radio liefert eine Solarpaneele, deswegen gibt es nur drei Stunden Programm am Tag. In der kleinen Radiohütte empfängt uns eine Gruppe aufgeweckter junger Leute. „Brisas del Mar“ wurde vor vier Jahren gegründet, um über Landkonflikte zu berichten, die bis heute fortbestehen, erklärt uns der Freiwillige Armando Castillo.

Das Team ... 

... und die technische Ausstattung von Brisas del Mar (C) JB

Leider müssen wir Punta de Piedra schon am selben Nachmittag wieder verlassen. Im Regionalbüro, das OFRANEH seit Mai in San José de la Punta unterhält, schlagen wir unser Nachtquartier auf. Auch hier gibt es keinen Strom. Nachts heulen Hunde den Vollmond an und Pferde toben ums Haus. Doch die dörfliche Idylle trügt. Auch in dieser abgelegenen Gegend gibt es zu viele Waffen, begleitet von allgemeiner Straflosigkeit. Vor wenigen Tagen wurde hier ein Restaurantbesitzer ermordet, nachdem er sich geweigert hatte, bewaffneten Männern Bier zu verkaufen. Eine polizeiliche Untersuchung des Falls findet nicht statt, die Täter halten sich wahrscheinlich weiterhin in der Gegend auf und sind den DorfbewohnerInnen bekannt.
Wir sind nach San José de la Punta gekommen, weil großes Interesse besteht, mit der Unterstützung von OFRANEH einen neuen Radiosender zu gründen. Rund 20 Leute versammeln sich, um von Alfredo Lopez zu erfahren, was die nächsten Schritte für den Aufbau eines Radios sein werden. Auch hier sind es überwiegend junge Leute, die sich für das Projekt begeistern. Sie wollen lieber heute als morgen anfangen, doch Alfredo erklärt ihnen, dass der Aufbau eines Radios ein längerer Prozess ist und sie sich noch etwas in Geduld üben müssen.

In San José de la Punta wechseln wir vom eigenen Auto auf das übliche öffentliche Transportmittel, einen Kleinlaster, über dessen Ladefläche Holzbretter als Sitzbänke gelegt sind und auf denen sich die Passagiere eng zusammendrängen müssen. Ab hier gibt es keine Straße mehr, die Verbindung zu den östlich gelegenen Gemeinden ist der Strand, stellenweise muss das Auto dabei durch kleinere Zuflüsse fahren. Hinter dem Strand stehen Mangroven, doch einige wurden bereits vom Meer weggespült. Es ist sichtbar, wie das Meer immer weiter ins Land vorrückt und die dort liegenden Dörfer bedroht. Unser vorläufiges Ziel, den Ort Batalla, hat 2005 der Wirbelsturm Gamma teilweise zerstört. Ruinen und eine riesige Sandfläche zwischen Meer und Río Sico zeugen noch immer von dem Unwetter. Nun versuchen einige Frauen durch die Wiederaufforstung des Strandes einen neuen Schutz gegen Wind und Meer zu schaffen.

Die Spuren des Hurrikans Gamma sind noch immer zu sehen (C) JB

In Batalla warten wir auf den Rest der Gruppe, die zum Treffen der indigenen Gemeinschaften in die Moskitia reist. Hängematten in einer frischen Meeresbrise machen das Warten zu einer recht angenehmen Angelegenheit. Am Freitag Nachmittag schließlich steigen wir zu 35zigst in ein Boot, das uns durch ein System von Flüssen und Lagunen nach Belén bringt.

(C) KB