Samstag, 7. Dezember 2013

Reisebericht, letzter Teil: EU - Assoziierungsabkommen und Entwicklungshilfe für den Sicherheitssektor

Zu Besuch bei der Botschaft der EU in Tegucigalpa

Während die Ereignisse um die Wahl und den von den Parteien LIBRE und PAC vermuteten Wahlbetrug langsam aber stetig ihren Lauf nehmen, wenden wir uns zwei Themen zu, die wir als Honduras-Delegation schon zu lange nicht verfolgt hatten. Die Botschaft der EU in Tegucigalpa ist eine Villa mit recht schönem Ausblick, die über drei bemannte Sicherheitsschleusen zugänglich ist. Wir werden empfangen von den beiden Zuständigen für die Entwicklungszusammenarbeit und vom Botschafter der EU, Ketil Karlsen. Der Botschafter gibt seiner Erleichterung Ausdruck, dass wir nicht wegen der Wahlen und der EU-Beobachtungsmission gekommen sind. Wir wissen nicht genau, ob er unseren offenen Brief an die EU-Beobachtungsmission gelesen hat, aber seiner Mitarbeiterin ist anzumerken, dass sie über die Frage nach dem Projekt zur Stärkung des Sicherheitssektors PASS nicht gerade begeistert ist. Der Botschafter würde eigentlich gerne mit uns über die Menschenrechte sprechen, immerhin sind wir ja eine Menschenrechtsdelegation, und er hat seinerseits auch schon gewisse Anstrengungen in diesem Bereich unternommen, indem er in einem Brief an die honduranische Regierung zu den Fällen des Campesino-Rechtsanwaltes Trejo, der Entführung zweier europäischer Menschenrechtsbeobachter_innen in Nueva Esperanza und der Bedrohung der COPINH-Direktorin Berta Caceres Stellung bezog. Angesichts dessen, was wir von den Regierungen nördlicher Länder kennen, ist das schon eine erfrischende Information. Unsere Fragen beziehen sich aber auf andere Aktivitäten der EU.

 
Wir möchten gerne wissen, wie sich das Assoziierungsabkommen EU-Zentralamerika (AdA) entwickelt hat, der Teil zum Handel ist ja bereits im August in kraft getreten. Natürlich sei es noch viel zu früh um etwas Substantielles zu sagen, meinen unsere Gesprächspartner, aber im Grunde sei doch in Honduras nicht viel los für die EU. Die einzige wirkliche Änderung gegenüber den Handelsbestimmungen des Vorläuferabkommens SGB+ sei die Möglichkeit, Zucker in die EU einzuführen, von der auch bereits Gebrauch gemacht werde. Bei den Hauptausfuhrprodukten Kaffee und Krabben sei der Export gleich geblieben. Wir erfahren, dass für eine Übergangszeit die Bestimmungen des SGB+ und des AdA parallel gelten werden, und dass die Importe der EU nach Honduras bedeutungslos seien, gleichermaßen das Interesse an Investitionen europäischer Konzerne und der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Honduras sei dafür einfach zu schlecht aufgestellt, dem Land mangele es an allem, was für ein gutes Investitionsklima wichtig sei: Ausbildung, physiche Sicherheit, Rechtssicherheit, Infrastruktur. Auch in der Wachstumsbranche erneuerbare Energie seien europäische Unternehmen kaum beteiligt, mit Ausnahme des Windparks Cerro de Hula, an dem Siemens beteiligt sei. Die Minen seien in kanadischer, die Staudammprojekte in lokaler und chinesischer Hand.
Ob diese Informationen so stimmen? Aus anderer Quelle erfahren wir, dass die EU sehr wohl ein Interesse an der strategischen Ressource Wasser hat, die in Honduras reichlich vorhanden ist. Unsere Gesprächspartner sind aber offensichtlich auch nicht in der Stimmung, ausgerechnet uns gegenüber über die wirtschaftlichen Interessen der EU zu berichten.
Auch für die beiden weiteren Achsen des AdA, dem politischen Dialog und der Entwicklungszusammenarbeit, erwarten die EU-Vertreter_innen keine großen Neuerungen. Diese Arbeitsfelder bestehen ja bereits, und mit dem endgültigen Inkrafttreten des AdA würden sie nur „miteinander in Kohärenz gebracht“.
Im Bereich des politischen Dialogs erwähnt der Botschafter das Abkommen FLEGT zum Schutz der Wälder und die Initiative EITI für Transparenz in Bezug auf die Finanzen von Minenprojekten.

Wir wenden uns dem PASS zu, einem Projekt europäischer Entwicklungszusammenarbeit, in dessen Rahmen 44 Mio Euro im Zeitraum 2007-13 für die Stärkung des honduranischen Sicherheitssektors ausgegeben werden. Auf Staatsanwaltschaft und Polizei entfielen dabei € 9 Mio im Zeitraum 2008-September 2014 (sic). Davon seien bereits € 7,5 Mio ausgegeben, und zwar für Ausrüstung in den Bereichen Tatortsicherung, Forensik, Alkoholtester, Geschwindigkeitsmesser, Warnwesten, Sicherheit von Richtern und Staatsanwält_innen, Kommunikation. Vanessa Valladares, verantwortlich für die Durchführung des Programms, erwähnt ungefragt, dass keine zur Repression geeignete Ausrüstung gekauft werden darf. Des weiteren umfasse das Programm ein Ausbildungsprogramm „entre pares“, d.h. Europäische Polizist_innen bilden honduranische aus, europäische Staatsanwält_innen honduranische usw. Dabei ginge es um die Bereiche Beweissicherung, Behandlung von Personen, Verkehrsunfälle, allgemeine Ausbildung. Valladares und ihr Vorgesetzter, Laurent Sillano, sind sichtlich genervt bei der Beschreibung des Programms und verweisen immer wieder auf die ausführliche Dokumentation des Programms auf dessen Webseite. Wir wollen wissen, ob sie zufrieden sind. Natürlich, antwortet Sillano, aber das Programm sei aufgrund der Entwicklungen auf der honduranischen Seite immer wieder gestört worden: Zuerst durch den Putsch, wo sämtliche Entwicklungszusammenarbeit suspendiert wurde. Dann durch die angekündigte Reform der Polizei, wobei aber die Empfehlungen der zuständigen Kommission wiederum nicht umgesetzt worden seien, und zuletzt habe man über die Stärkung der kommunitären Polizei gesprochen, dann aber die Militärpolizei eingeführt. Da habe man sich jeweils anpassen müssen. Der Botschafter greift ein: Natürlich könne man PASS nicht als Erfolg bewerten, da die Straflosigkeit ebensowenig wie die Gewalt im Lande gesunken sei. Das sei aber nicht dem Programm, sondern den fatalen äußeren Umständen geschuldet. Das sehen wir ganz ähnlich und wollen deshalb wissen, warum man nicht das Programm gestoppt habe, bis die Reform („depuración“) der Polizei abgeschlossen gewesen sei. Das sei technisch nicht möglich, und hätte bei dem Finanzvolumen des Projekts auch keine sanktionierende Kraft gehabt, bekommen wir zur Antwort. Unsere Gesprächspartner sind bereits ziemlich unruhig. Das Programm gehe ja noch bis September 2014, dann wolle man mit einem weiteren Programm zur Stärkung der Justiz namens Eurojusticia weitermachen. Ob es ein Nachfolgeprojekt geben solle, das wolle man erst nach dessen Abschluss 2017 entscheiden.
Unserer Einschätzung nach hätte dieses Projekt nach dem Putsch 2009 nicht wieder anlaufen dürfen. Die honduranische Polizei ist in Dutzende schwere Menschenrechtsverletzungen nach dem Putsch verwickelt, eingeschlossen Folter und Exekutierungen. In der seitdem stark polarisierten honduranischen Gesellschaft sprechen unzählige Beispiele dafür, dass die Polizei die Interessen der Oligarchie gegen die sozialen Bewegungen verteidigt. Die Straflosigkeit der weit über 200 politischen Morde ist nicht der mangelnden Ausrüstung oder Kompetenz der Staatsanwaltschaften und Polizei geschuldet, sondern deren Unterordnung unter die Interessen der Machtcliquen um Großgrundbesitzer und Drogenhändler.
Das wissen auch die Mitarbeiter_innen von der EU-Botschaft. Obwohl wir sie mit diesen Bedenken gar nicht konfrontiert haben, verlässt Vanessa Valladares den Raum ohne sich zu verabschieden.