Sonntag, 11. Dezember 2016

Abschluss der Delegation in Tegucigalpa

Unsere letzten drei Tage der Delegation nutzten wir in Tegucigalpa für Besuche bei der Deutschen Botschaft, im Büro der Mission zur Unterstützung  gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (MACCIH - Misión de Apoyo Contra la Corrupción e Impunidad en Honduras) und im Büro des Hohen Kommissars der UNO für Menschenrechte. Da es sich bei den ersten beiden Gesprächen nicht um offizielle Pressetermine handelt, werden sie an dieser Stelle vertraulich behandelt.

Die Ergebnisse der Delegation wurden am Freitag in einer Pressekonferenz in Tegucigalpa vorgestellt. Ca. 30 Vertreter*innen nationaler und internationaler Medien sowie von sozialen Organisationen verfolgten mit Interesse unseren Bericht - hier ein spanischsprachiger Audiomitschnitt. Die schriftliche Version des Berichts in spanisch und deutsch folgt in Kürze.



Berta no se murió. Se multiplicó. (Berta ist nicht gestorben, sie hat sich vervielfacht)


Als wir in La Esperanza einfahren, sind wir überrascht, wie präsent die am 2. März 2016 ermordete Berta Cáceres ist. Große Wandbilder und viele Graffitis, mit dem Ausruf „Berta vive“ zieren zahlreiche Mauern und Hauswände.

Wir sind im Centro Utopía untergebracht, wo uns ein herzliches Team von COPINH empfängt und uns die nächsten Tage hervorragend verpflegt. Auch hier ist Berta immer noch präsent: im Gemeinschaftsraum ist ein kleiner Altar für Berta Cáceres und den 2013 ermordeten Tomás García aufgebaut.


Samstag, 10. Dezember 2016

Aktivistin aus Honduras postum von den Vereinten Nationen geehrt

von Jutta Blume in: amerika21
Grafito mit dem Bildnis von Berta Cáceres: "Berta lebt"
Cancún. Die honduranische Menschenrechts- und Umweltaktivistin Berta Cáceres ist postum mit dem Preis "Champion of the Earth" der Vereinten Nationen (UNEP) ausgezeichnet worden. Die höchste Umweltauszeichnung der UN wird an wegweisende Persönlichkeiten sowohl aus Politik und Gesellschaft in fünf Kategorien verliehen. Berta Cáceres ist zusammen mit Afroz Shah aus Indien Preisträgerin für "Inspiration und Handeln".

"Berta Cáceres weigerte sich zuzulassen, dass die Rechte der Armen und Marginalisierten durch die Interessen der Mächtigen verletzt werden und dass die Ökosysteme, von denen sie abhängen, zerstört werden", erklärte UNEP-Exekutivdirektor Erik Solheim. "Ihr Fokus war lokal, aber ihr Anliegen und ihr Opfer finden in der ganzen Welt Widerhall. Sie ist eine große Quelle der Inspiration und ein großer Verlust für alle Menschen, die für Umweltrechte kämpfen." Die Preisverleihung erfolgte im Rahmen der 13. UN-Biodiversitätskonferenz in Cancún. Der Bruder der am 2. März ermordeten Aktivistin, Roberto Cáceres, äußerte die Hoffnung, dass der Preis dazu beitragen werde, dass das Leben und der Kampf Bertas, ebenso wie der Kampf der indigenen Lenca nicht in Vergessenheit geraten.

Honduras bleibt weiterhin eines der gefährlichsten Länder für Menschenrechts- und Umweltaktivisten. Am 2. Dezember berichtete eine internationale Mission der Beobachtungsstelle für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern (OBS) vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) über ihren Besuch in dem mittelamerikanischen Land. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre sind 17 Menschenrechtsaktivisten ermordet worden, für die die CIDH besondere Schutzmaßnahmen angeordnet hatte. Der honduranische Staat habe nicht nur wenig getan, um diese Personen zu schützen und die Verbrechen an ihnen aufzuklären, sondern auch weitere Aktivisten kriminalisiert und so öffentlich delegitimiert. Am meisten betroffen sind Umweltschützer und Angehörige der LGBTI-Comunity. Seit 2009 sind 224 politisch aktive LGBTI-Personen ermordet worden, nur in 33 Fällen wurden die Täter bestraft. Der Organisation Global Witness zufolge fielen zwischen 2002 und 2014 111 Umweltaktivisten in Honduras Morden zum Opfer. Seit 2015 sind in dieser Gruppe 16 weitere Mordopfer zu beklagen, unter ihnen die Koordinatorin des COPINH, Berta Cáceres sowie führende Mitglieder der Bauernbewegung MUCA.

Die Beobachtungsstelle stellte fest, dass der Staat in vielen Fällen die Konflikte schürt, indem er beispielsweise das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung missachte. Er solle daher die auf die Umwelt bezogenen Menschenrechte stärken. Eine geplante Reform des Strafgesetzbuches geht aber in die gegenteilige Richtung. Demnach würden die Strafen für die widerrechtliche Aneignung von Land verschärft, neu geschaffen würde das Delikt der widerrechtlichen Aneignung von Wasser. So ist eine weitere Kriminalisierung derjenigen zu befürchten, die für ihre Landrechte und gegen die Privatisierung von Wasser kämpfen.

Rio Blanco: Ein Dorf stellt sich quer gegen grünen Kolonialismus.


Nach längerem Geschaukel durch eine atemberaubende Gebirgslandschaft erreicht unser Delegations-"Busito" das Örtchen Rio Blanco, das wegen seines Widerstands gegen das Staudammprojekt Agua Zarca über die Grenzen von Honduras hinaus bekannt geworden ist. Seit dem Jahr 2013 verteidigen die hier ansässigen Lenca-Indigenen ihr Gemeinde-Territorium gegen die Betreiberfirma Desarrollo Energéticos S.A. (DESA), wobei sie von der Organisation COPINH unterstützt werden.


Vorläufiger Bericht des europäischen solidarischen Netzwerks von Menschenrechtsverteidiger*innen Honduras Delegation 2016



Vom 21. November bis zum 8. Dezember fand eine Delegationsreise des unabhängigen europäischen Solidaritäts-Netzwerks HondurasDelegation statt. Das Netzwerk bildete sich ein Jahr nach dem Staatsstreich von 2009. Im Mittelpunkt der 5. Delegationsreise der HondurasDelegation standen die Auswirkungen der globalen neoliberalen Ökonomie auf indigene Gemeinden und soziale Bewegungen.

Ziel dieser Delegation ist es, die Menschenrechtssituation in Honduras über verschiedene Medien bekannt zu machen und vor dem Europäischen Parlament und anderen nationalen wie internationalen Institutionen zu präsentieren. Wir haben im Zentrum und im Norden des Landes 18 verschiedene Organisationen besucht, darunter Casa Alianza, Asociación ARCOIRIS, COFADEH (Komitee der Familienangehörigen von Verhaftet-Verschwundenen von Honduras), um die aktuelle gesellschaftlich-politische Lage sowie die Herausforderungen, denen die einzelnen Organisationen gegenüber stehen, kennenzulernen.


Montag, 5. Dezember 2016

Unsere nächste Reiseetappe: El Progreso – Treffen mit LIBRE-Abgeordentem und ERIC


El Progreso war 1954 das städtische Zentrum des “großen Streiks” bei den Bananengesellschaften Standard und United Fruit Company, von dem sich der Streik auf das ganze Land ausbreitete. Hier trafen wir Bartolo Fuentes, Journalist und seit 2013 Abgeordenter der Partei LIBRE (Libertad y Refundación) im Büro der größten Gewerkschaft für Arbeiter*innen in den Maquilas (SITRASTAR). Fuentes fühlt sich den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen nahe, beispielweise gibt er die Zeitschrift “Vida Laboral” über die Kämpfe der Gewerkschaften heraus.
Bartolo Fuentes

Die Partei LIBRE wurde 2011 als politischer Arm der Widerstandsbewegung gegen den Putsch (FRNP) gegründet, der es 2013 bei den Wahlen gelang, die zweitstärkste Kraft im Parlament zu werden und damit das über 100 Jahre währenden Zweiparteiensystem aufgebrochen hat.



Samstag, 3. Dezember 2016

Tolupanes setzen sich gegen Landraub und illegalen Holzeinschlag zur Wehr


Die Tolupanes, Ureinwohner in Honduras, leben in 31 Gemeinden in Yoro und Francisco Morazán. Vor der Kolonialzeit besiedelten sie fast die ganze Nordküste vom Rio Ulua bis nach Trujillo. Mit Beginn der Kolonialzeit begann die kontinuierliche Vertreibung von ihren Territorien, deren Verteidigung bis heute eines der zentralen Anliegen der Tolupanes ist. Ihre Gemeinden liegen verstreut in den Bergen, die Straßen sind schlecht, es gibt wenig Infrastrukur, die Gesundheitsversorgung ist prekär und der Zugang zu Bildung ist unzureichend. Nach 5 Stunden Autofahrt, Flussdurchquerungen und Fahrzeugwechsel, da die Gemeinden nur mit Allradfahrzeugen zu erreichen sind, kommen wir in San Francisco Campo in Locomapa an.





„Willkommen in San Francisco de Campo. Wir Menschen sind Teil der Natur, weshalb eine Schädigung der Umwelt auch eine Schädigung unserer eigenen Existenz ist.“ - lesen wir auf dem Ortsschild.


 Wir werden hier bereits von einer Gruppe von 25-30 Personen erwartet. Nach einer herzlichen Begrüßung berichteten uns einzelne Gemeindemitglieder von den aktuellen Konflikten und Bedrohungen. Von ihrem Territorium, für das sie einen Landtitel von 1864 besitzen, hat der Ex-General Kenton Landa Uclis 50% in den 80er Jahren mit Hilfe seiner Militäreinheit illegal besetzt.

Die Tolupanes sehen sich einer Vielzahl von Konflikten gegenüber, die seit den 80er Jahren mehr als 100 ermordete Líderes der Tolupanes gefordert haben. Damit gehören die Tolupanes zu den Ureinwohnern, die die meisten Ermordeten zählen. Die Mehrheit der Fälle bleibt straflos.

Das Territorium der Tolupanes besteht zu 90% aus Wald und ist wegen des Holzes und Antimonvorkommens begehrt. Täglich verlassen geschlossene Lastwagen mit illegalem Holz das Gebiet. Holz, das den Tolupan-Gemeinden zusteht. Sie jedoch dürfen Bäume selbst nicht fällen. Der Ex-General bekam trotz des vorhandenen kollektiven Landtitels von 1864 der Tolupanes vom Instituto Nacional Agrario ebenfalls einen erteilt. Häufig werden von staatlichen Behörden doppelte Landtitel vergeben, um illegal angeeignetes Land, im Nachhinein zu legalisieren. Aufgrund dieses Titels konnte sich Landa Uclis einen Bewirtschaftungsplan von der staatlichen Forstbehörde ICF genehmigen lassen und durch Bestechung des indigenen Gemeinderates wurde dieser akzeptiert. Dieser Plan legt die Mengen der gefällten Bäume fest. Die tatsächliche Menge liegt jedoch über der zugelassenen, sodass Kontrollen der Lastwagen nötig wären – was allerdings bis jetzt nur einmal geschehen ist und Einschüchterungen und Bedrohungen für diejenigen, die sich dafür einsetzen, nach sich ziehen.
 






18 Familien der Gemeinde haben wegen dieser Bedrohungen besondere Schutzmaßnahmen, die die Interamerikanische Menschenrechtskommission angeordnet hat. Sichtbar wurden diese für uns, als uns die Polizei ab Ortseingang begleitete.

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gemeinderäte ist aufgrund der Bestechlichkeit dieser gebrochen. Viele Bewohner*innen möchten ihr Land selbst nutzen und verteidigen. Seit 2008 werden sie dabei vom MADJ (Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia) unterstützt.

Die Organisation enstand 2008 aus einem Hungerstreik von vier Staatsanwälten, die sich gegen Korruption und Komplizenschaft innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft auflehnten, weil in Korruptionsfällen weder gegen eigene Angestellte noch gegen große Unternehmen ermittelt wurde. Daraus ist eine breite soziale und politische Bewegung entstanden, die sich gegen Korruption, Misswirtschaft öffentlicher Güter und für eine Gesellschaft einsetzt, die auf Transparenz, Würde und den Respekt für Menschenrechte und Umwelt beruht. Aus dieser Perspektive unterstützt das MADJ die politische Einflussnahme und Kontrolle über Kommunalverwaltungen und staatliche Institutionen. Sie fordern Transparenz und Rechenschaft bei der Verwendung öffentlicher Mittel, indem sie über den Rechtsweg auf nationaler und internationaler Ebene gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen vorgehen.



Sowohl im Büro des MADJ in San Pedro Sula als auch in der Gemeinde San Francisco de Campo in Locomapa wurden wir sehr herzlich aufgenommen und vorzüglich beköstigt. Wir sind zutiefst beeindruckt von dem Mut der Mitglieder des MADJ, die trotz massiver Einschüchterungen und Bedrohungen einen ansteckenden Optimismus ausstrahlen.