Sonntag, 21. Januar 2018

Opposition kündigt Protestwoche und Generalstreik an



Vom 21. bis zum 28. werden an dieser Stelle tägliche Berichte über die Situation in Honduras erscheinen, die in engem Informationsaustausch mit unseren Partner*innen vor Ort entstehen.

Regierung mobilisiert massives Militäraufgebot, Verhaftungen und Repression sollen die Bevölkerung einschüchtern



Vor dem Generalstreik: „Kriegs“vorbereitungen im Department Colón.

Quelle: criterio.hn
(20. Januar - HondurasDelegation). Am Samstag, 20. Januar begann in Honduras eine Protestwoche gegen die für den 27. geplante erneute Amtsübernahme des amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández (Nationale Partei). Geplant sind Demonstrationen, Straßensperren und mehrere Tage Generalstreik. Das Szenario ist ebenso ernüchternd wie eindeutig: Regierung und Streitkräfte, allen voran die von Hernández geschaffene Militärpolizei für Öffentliche Ordnung (PMOP), setzen weiter auf massive Einschüchterung, Kriminalisierung und Repression bis hin zu schwerer Körperverletzung, Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen gegen diejenigen, die sie als „inneren Feind“ identifizieren. Dies sind Mitglieder und Sympathisant*innen der „Oppositionsallianz gegen die Diktatur“, Menschenrechtsverteidiger*innen, die Übergriffe dokumentieren wollen und unbotmäßige Journalist*innen und Medienschaffende, die versuchen, über die wahren Ereignisse zu berichten. Beobachter*innen in der Industriemetropole San Pedro Sula im Norden von Honduras und in verschiedenen Departements, darunter Choloma und Cortés, berichteten am Freitag, 19. Januar von Vorbereitungen des Militärs wie für eine kriegerische Auseinandersetzung. Begleitet wird dieser Krieg durch den Einsatz von informellen paramilitärischen Kräften (Todesschwadronen) und massive Desinformations- und Diffamierungskampagnen in den sozialen Netzwerken.


Willkürliche Verhaftung und Terrorismusanklage gegen Aktivisten

Eines der Opfer dieser Kampagnen war seit dem 13. Januar Edwin Robles Espinal, ein bekannter Aktivist aus dem demokratischen Widerstand gegen den zivilmilitärischen Putsch in Honduras 2009. Am 19. Januar wurde Espinal im Vorfeld der Protestwoche festgenommen. Vermummte Männer in Zivil, die sich nicht auswiesen, brachten ihn zum Verhör bei der Kriminalpolizei. Ihm wird nun in einer konstruierten Anklage Sachbeschädigung, Raub und Terrorismus vorgeworfen. Der Eigentümer des Hotels Mariott, das bei gewaltsamen Auseinandersetzungen am 12. Januar beschädigt worden war, habe ihn angezeigt. Die Oppositionsallianz verdächtigt eingeschleuste Provokateure, die Verwüstungen angerichtet zu haben. Espinal war 2010 in Polizeihaft gefoltert worden, seine Lebensgefährtin Wendy Avila starb nach dem Putsch bei einer Protestkundgebung durch einen Pfeffersprayangriff staatlicher Sicherheitskräfte. Die interamerikanische Menschenrechtskommission verpflichtete den honduranischen Staat seither zu besonderen Schutzmaßnahmen für Espinal, der immer wieder ins Visier der Sicherheitskräfte geriet. Die jetzige Terrorismusanklage wird durch eine Strafrechtsreform möglich, an der Spanien mit Fördermitteln der Europäischen Union federführend beteiligt war. Sie könnte unter anderem auch gegen weitere Oppositionelle eingesetzt werden, die mit Espinal gemeinsam verunglimpft wurden, darunter Journalisten des einzigen regierungskritischen Fernsehsenders UNE TV, Studierende der Nationalen Universität, deren Proteste im vergangenen Jahr gewaltsam niedergeschlagen worden waren und Aktivist*innen aus Choluteca im Süden von Honduras. Erwartet werden aber nicht „nur“ Verhaftungen, sondern auch gezielte Morde an Führungspersonen der sozialen Proteste. Das NGO-Bündnis „Koalition gegen die Straflosigkeit“ warnt, dass 63 Menschenrechtsverteidiger sich in einer hochgefährlichen Situation befinden. Es prangert an, dass der staatliche Schutzmechanismus für sie bisher nicht nur untätig oder ineffizient blieb, wie sonst üblich, sondern in vier Fällen sogar die Aufnahme verweigerte.


Diffamierungskampagnen und Morde

Allein bis Ende vergangenen Jahres wurden 21 außergerichtliche Hinrichtungen gegen Oppositionelle dokumentiert, 20 davon durch Mitglieder der Militärpolizei. Inzwischen ist von zwischen 35 und 45 derart Ermordeten die Rede. Zahlreiche Demonstrierende wurden teils schwer verletzt. Das lokale Büro des UN-Hochkommisariats für Menschenrechte appellierte vergeblich, keine letalen Waffen gegen die Protestierenden einzusetzen.

Am Neujahrstag wurde Wilmer Paredes in San Juan Pueblo (Departement Atlántida) von Unbekannten aus einem grauen Lieferwagen heraus erschossen. Er war einer der Koordinatoren der lokalen Proteste gegen den wahrscheinlichen Wahlbetrug vom 26. November und deshalb wochenlanger Bespitzelung und Verfolgung ausgesetzt. Eine Hass- und Diffamierungskampagne beschuldigt nun die Führungsspitze der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation MADJ des Mordes. Für den Leiter des MADJ Martín Fernández und seinen Bruder Victor, der Anwalt u.a. im Mordfall Berta Cáceres ist, bedeutet dies akute Gefahr für Leben und Sicherheit. Berichtet wird nahezu täglich auch von Razzien staatlicher Sicherheitskräfte, die ganz Stadtviertel durchkämmen und Bewohner*innen terrorisieren oder gezielt Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss durchführen und Tränengasgranaten in Häuser werfen.


Oppositionskandidat bittet UN um Vermittlung

Die Oppositionsallianz mit dem politisch unerfahrenen, politisch eher rechtsgerichteten Sportreporter Salvador Nasralla an der Spitze und dem (2009 aus dem Präsidentenamt weggeputschten) Vorsitzenden der Mittelinks-Partei Freiheit und Neugründung (Libertad y Refundacion - LIBRE) José Manuel (Mel) Zelaya als Führungspersönlichkeit hat am 10. Januar ein 12-Punkte-Strategiepapier herausgegeben, in dem die Nicht-Anerkennung der neuerlichen Präsidentschaft Hernández gefordert wird und zu Proteste und Streiks gegen seinen Amtsantritt aufgerufen wird. Der Wahlprozess solle mit kriminaltechnischen Mitteln untersucht werden. Wenn es nicht möglich sei, einen Gewinner festzustellen, sollten binnen sechs Monaten Neuwahlen mit einem reformierten Wahlgesetz anberaumt werden. Den von Präsident Hernández angebotenen „Dialog“ lehnt die Oppositionsallianz unter den gegebenen Umständen ab. Nasralla bat am 19.Januar die Vereinten Nationen um sofortige Vermittlung in dem Konflikt.